Günther Zechberger / Peter Riedlsperger
ein musikalisches Brückennetzwerk zum Thema Rivers and Bridges
Konzert • Radio-Live-Übertragung (OE1, RNE1) • musikalisches Brücken-Netzwerk
05.09.96; Piller bei Wenns auf dem Skulpturenfeld Fuchsmoos des Bildhauers Kassian Erhart
Der direkte Bezug zur „Brücke“ als Bauwerk wird in einer medialen bzw. wahrnehmungstheoretischen Weise übersetzt. Dabei wird die Metapher der Brücke in ihrem semiotischen Wert nicht nur als Codesample der Verbindung – also positiv – gesehen, sondem auch als Trennung – die Differenz, die Grenze. Dies ist dem Grundgedanken einer strukturellen I nformationstheorie verpflichtet: aus der Differenz die Information zu erkennen.
Ausgehend von einem theoretischen Verhältnis potentieller Möglichkeiten zu den faktisch verwendeten, ist ein Sprachsatz (eine Sprache) kleinen Umfangs installiert, den das Publikum auslösen kann. Der Besucher wird in die Lage versetzt, bestimmbare Aktionen mittels seines Verhaltens auf der Brücke auszulösen.
Das Zentrum des Projektes bildet eine begehbare Granitskulptur von Kassian Erhart, die als Brücke über einen kleinen Bach gelegt wird. Diese Brücke wird von Günther Zechberger klanginstalliert – d.h. das Begehen, Überqueren von Brücken wird hörbar. Die Musiker des Ensembles werden sich aus der Landschaft dem Skulpturenfeld Fuchsmoos allmählich nähern, mit dem Ziel, sich im Zentrum – auf der Granitbrücke – zu treffen. Damit wird die Landschaft akustische abgebildet, die Rundfunkübertragungen dieses Abbildes sind Transportwege von Landschaft.
Nach Erreichen des Zentrums verteilen sich die Musiker auf dem Skulpturenfeld, nehmen zum einem Kontakt mit den Skulpturen auf und interagieren mit diesen, zum anderen mit Musikern aus Madrid um mit diesen gemeinsam zu konzertieren. Die Brücke wird dem Publikum überlassen, das durch Begehen, Bestampfen, Betanzen auf die Musiker reagieren kann.
Das Thema der Evolution der Wahrnehmung wird durch die elektronischen Möglichkeiten neu erfragt. So wird der Zusammenhang von Bewußtsein als Beurteilung der Wahrnehmung von „außen“ und „innen“ in einen apparativen Zusammenhang gesetzt – der apparative Zusammenhang als Veränderung individualistisch – hierarchisch orientierter Seinsauffassungen zu möglichen vernetzten interSUbjektiven, nichtindividuellen Seinsauffassungen.
Stills sind der Beginn eines onlineKompositionsprojektes das als Konzept einer online-Diskussion und – Kommunikation im Bereich der Entwicklung vernetzter neuer musikalischer Produktionsweisen dienen soll.
Neben der Realisierung der Kompositionen für Band, Live-Elektronik und analoge Instrumente ist das Tiroler Ensemble tür Neue Musik auch stellvertretender Akteur des Publikums auf dem Skulpturenfeld.
Nicht im Hintergrund, sondern auf einer weiteren musikalischen Ebene wird elektroakustische Musik in das Klangprojekt mit einbezogen:
„hear the sky“ (Peter Riedelsperger) und „Stills – electroacoustic songs“ (Günther Zechberger)
- „hear the sky„:durch Frequenztransformationen von astronomischen Spektren (CCD Aufnahmen) bestimmter beobachtbarer Objekte in Klangspektren wird eine Hörbarmachung dieser Objekte erzielt. Bestimmte Frequenzverteilungen in den aufgenommenen astronomischen Objekten werden durch lineare und nichtlineare Transformation in akustische überführt, die weiters durch eine definierte elektroakustische Bearbeitung in Klang verwandelt werden. Die elektroakustische Bearbeitung wird durch eine Soundbearbeitungshard- und Software in zeitlich vereinheitlichter Weise abgebildet bzw. auf eine durch die Entfernungsbewegung der Objekte bestimmten virtuellen dynamischen Zeitachse.
- „Stills – electroacoustic songs“ (Günther Zechberger) diesem Projekt geht ein „call for sampies“ voraus. In diesem „call for sampies“ wird um Klangsampies aus aller Welt gebeten. Dies sollen Sampies von
- Vokalmusik a capella
- Musik (improvisiert) von Kindern“ Amateuren, professionellen Sängern, Vokalensembles und. Chören
- mit Text in jeder Art von Sprache – Dialekt, Slang ,Hochsprache etc •• – ohne Text
- jeder Art von musikalischen Stilrichtungen – kulturelle und ethnische
- im Format AIFF oder SD 11
- mono
- mit Sampleraten von 22050 bis 44100
- und einer maximale Länge: 7 Sekunden sein.
„Stills“ sind hier akustische Momentaufnahmen aus der ganzen Welt – Samples von Vokalmusik a capella. Diese Sampies bilden das Grundmaterial für einen akustischen Film – Kompositionen.
Das Ensemble spielt und ist das „Dramatische“ und „Sinnliche“ zur vermittelten abstrakten Anschauung der elektronischen Projekte. Es wird eine Brücke zwischen den Musikern auf dem Skulpturenfeld und den virtuellen Brücken im Rundfunk und im Netz hergestellt.
Weitere Brücken:
- visuelle Brücke Reutte – Skulpturenfeld Fuchsmoos I Piller via Internet (CuSeeme)
- akustische Brücke: lnn von der lnnbrücke in Innsbruck (Installation von Andres Bosshart) zum Bach auf dem Skulpturenfeld
- in der Zeit vom 15. August bis zum 7. September findet auf dem Skulpturenfeld ein Symposium zum Thema „Malevich’s Nachfolger“ statt. Eingeladen dazu sind zwei Maler aus Rußland – Anna Rezwanova und Jurij Gobanov – und zwei Bildhauer aus dem Pitztal – Werner Seidner und Kassian Erhart. Die ca. 5 Tonnen schwere Granitbrücke wird im Rahmen dieses Symposiums „gelegt“. Am 7. September wird in der Galerie des Skulpturenfeldes eine Ausstellung mit Werken der beiden russischen Maler eröffnet (Dauer bis Dezember 96). „Granite Head“ ist nicht zuletzt auch als Brückenpfeiler zwischen Symposium und Ausstellung, Rußland und Tirol, Musik und Bildende Kunst zu verstehen.
Rundfunkl-Live-Übertragung: Hans Soukup, Bernhard Triendl (Toningenieur)
Musikalisches Konzept, Komposition, musikalische Leitung: Günther Zechberger
Konzept: Günther Zechberger, Peter Riedlsperger