affaires

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„affaires” (1995)

für Mezzosopran, Flöte, Saxophon, Posaune, Akkordeon, Klavier und Perkussion (Bandzuspielung ad lib.)
Auftragswerk des Vereins „Avantgarde Schwaz“
UA: Schwaz, 1995

verlegt bei Universal Edition: Günther Zechberger, affaires | UES104382-000

Aufnahme: Innsbruck, 2001
Elisabeth Nicolussi (MS), ticom – Tiroler Ensemble für Neue Musik


Metamusik

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Andreas Pfeifer über „Chay“

(aus: Peter Paul Kainrath, Andreas Pfeifer „METAMUSIK“, Folio Verlag, Wien – Bozen 2003)

Kurzbiografie

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Der Bogen seines kompositorischen Schaffens erstreckt sich von Musik für Soloinstrumente, Kammermusik, Chor- und Orchesterwerken bis hin zu Computerkompositionen, Klanginstallationen, Radio-Live-Projekten und Aktionsmusik.

1984 gründete Zechberger das Tiroler Ensemble für Neue Musik und leitete dieses bis 2002.
Mit diesem Ensemble unternahm Günther Zechberger Konzertreisen nach Deutschland, Bulgarien, Italien, Japan, Polen, Ungarn, Türkei, Albanien, England, Kroatien.

Zechberger setzt sich seit vielen Jahren mit Musikprojekten im öffentlichen Raum und musikalischen Netzwerkprojekten sowie neuen Präsentations- und Vermittlungsformen Neuer Musik auseinander.

Projektpräsentation in Lienz

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Drau/Drava Klangmobil, mobile Klangkunst am Drau-Radweg
Lienz, September 2010
Literatur: Uwe Ladstätter, Christoph Huber
Radler: Drau/Drava-Team
Produktion: Dolomitenstadt media OG

Drau/Drava – KlangMobil from Guenther Zechberger on Vimeo.

Musik in Sprache gefasst

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Irene Holzer, 5. Jänner 03

Günther Zechberger: Streichquartett
Eine Parodie

Dieser Text ist in das Kapitel VIII von Thomas Manns „Doktor Faustus“ einzufügen:

Worüber er sprach? Nun, der Mann war imstande, eine ganze Stunde der Frage zu widmen, „warum Günther Zechberger sein Streichquartett nicht auf konventionellen Notenlinien geschrieben“ habe, -ein besprechenswerter Gegenstand, ohne Zweifel. Aber man stelle sich diese Ankündigung vor, angeschlagen am Wiener Saal des Alten Mozarteums, Mitten in der „Salzburger Mozartwoche 2003“ und frage nach dem öffentlichen Unverständnis, das diese leider in der österreichischen Seele wecken konnte. Wir, einige wenige Studenten der Musikwissenschaft zu Salzburg, die sich in dem wunderschönen Saal einfanden, erlebten jedoch einen geradezu unvergleichlichen Abend, wenngleich niemandem von uns das zur Rede stehende Streichquartett, geschweige denn der Komponist auch nur im Ansatz bekannt gewesen wäre. Umso besser sollten wir dieses neuartige Werk nun kennen lernen.

Auf der Bühne versammelten sich die vier Musiker des Arditti-Quartetts, die sich bereit erklärt hatten, Kretzschmars Vortrag „zu Musik zu bringen“. Kretzschmar selbst stand hinter einem Dirigenten-Pult, halb zu seinem Publikum, halb zu dem Quartett blickend. Die Original-Partitur in Händen haltend führte er zunächst mit herzzerreißenden Worten die schwere Situation eines zeitgenössischen Komponisten aus, der nach den Größen unserer europäischen Kunstmusik, sowie sich der Vielfalt der außereuropäischen Musik bewusst, doch anscheinend keine Möglichkeit mehr habe, eigene Musik zu schreiben, ohne jemanden direkt oder indirekt zu zitieren. Alle Tonsysteme, alle rhythmischen Varianten, alle Klänge seien bereits entdeckt und verarbeitet worden. Wie solle da ein unbekannter Tiroler Komponist überhaupt noch komponieren können?

Aber Zechberger habe plötzlich eine bahnbrechende Idee gehabt, führte er weiter aus, ein Streichquartett solle als Grundlage seiner Musik dienen: Klang, Asymmetrie, Individualität (durch den einzelnen Musiker) hießen seine Bausteine. Betrachte man die Partitur, begann er seine Analyse, so bemerke man die tabulaturähnliche Notierung -wobei dies natürlich mit einer herkömmlichen Tabulatur nicht im geringsten zu tun habe -, dann die subtilen Anweisungen -übrigens ausschließlich dem jeweiligen Instrument eigene Spezifikationen -, sowie die überaus exakte Aufzeichnung der Musik, die dennoch ein enormes Potential an Individualität in sich trage. Denn wie wir alle bemerkt hätten -bei diesen Worten nickte er uns, dem kleinen Häufchen von Studenten zu -beruhe dieses Werk nicht auf fixierten Tonhöhen, sondern auf Angaben von „Finger-und Streckbreite“ der Hand des Musikers. Welches Quartett auch immer jenes Werk spiele -hier verbeugte er sich ehrerbietig vor den vier Musikern, welche wohlwollend zurücknickten, -nie könne sich bei verschiedenen Interpreten der gleiche Klang entwickeln, da nun einmal jeder Mensch anders gebaut sei.

Doch nun zum formalen Aufbau des Werkes. Kretzschmar räusperte sich, blickte kurz in die Runde und sprach weiter. „Sie sehen die „klassische“ Streichquartettbesetzung: 1. und 2. Violine, die Viola und ein Violincello.“ wobei er die Endsilben der jeweiligen Instrumente besonders betonte, um jeglicher Verwechslung vorzubeugen. „Die Tempovorgabe lautet Adagio = 58. Noch bevor Sie etwas einwenden“, er erhob drohend seinen Zeigefinger und blickte uns Studenten streng an, „möchte ich Sie darauf hinweisen, dass dies sehr wohl einen Einfluss auf die Spielweise hat, denn auch wenn wir keine Notenlinien und Notenwerte im herkömmlichen Sinne vor uns liegen haben, so deutet diese Angabe dennoch den Charakter des Werkes an, also ein Adagio. Die Tempoangabe wird sogar mehrmals wiederholt angeführt, und nur durch ein kurzes Prestissimo auf Seite 4 unterbrochen.“ Natürlich handle es sich hier nicht um einen ungeordneten Versuch einer Aufzeichnung von Musik, sondern es sind wohl auch taktähnliche Strukturen zu finden, wobei beinahe jeder „Takt“ durch eine exakte „Taktangabe“ oder zumindest eine genaue Zeitangabe gekennzeichnet ist. Sei es durch ein 13/16 (4+4+5) im ersten „Takt“ oder ein 9/16 (4:2:3 Verhältnis) oder wie ab „Takt“ 5 in Sekundenangaben. „Sie sehen also, meine Herrschaften, dass die Musiker“ -dabei verneigte er sich wiederum in Richtung des Quartetts, welches seinerseits höflich zurücknickte -„in diesem Fall genauste Vorgaben verarbeiten müssen.“ Dazu kämen dann zusätzlich noch genaue Instruktionen wie barbaro, spiccato, alla chitarra, mit oder ohne Bogen gespielt, wann wo wie gestrichen werden müsse etc. Die Lagenbezeichnungen enthielten dann noch zwei Unterscheidungen: E für alle vier Finger möglichst eng und W für alle vier Finger möglichst weit.

Besonderen ästhetischen Anspruch erhebe der 2. Satz, der als „Strichchoreographie“ bezeichnet, nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Zusehen ein Genuss sein werde. Nicht nur, dass hier linke und rechte Hand (Bogen) -übrigens sei zu bemerken, dass der Bogen auf der Linie oberhalb des Systems notiert sei -voneinander unabhängig zu führen seien, sodass jeder Musiker verschiedenste Rhythmen gleichzeitig zu bewältigen habe, sondern die Musiker müssten hier auch noch die exakte Bogenführung einhalten, um somit dem ästhetischen Aspekt gerecht zu werden.

Der 3. Satz falle schon dadurch auf, dass er ganz ohne Bogen gespielt werden müsse. Hier höre man besonders die Individualität jeder einzelnen Aufführung, da ab Ende Seite 18 die Lagen ad libidum, aber möglichst abwechslungsreich zu wählen seien. Die auffälligsten Anweisungen in diesem Satz wiesen von Finger drehen über Saite festhalten und „wischen“ bis zum Glissando mit dem Daumennagel auf der Saite.

Den krönende Abschluss bilde jedoch der 4. Satz, konzipiert als eine Fuge -jawohl, eine Fuge! Natürlich handle es sich auch hier nicht um eine Fuge im „klassischen“ Sinn, erläuterte Kretzschmar weiter, denn diese Fuge baue nicht auf einem einzigen Thema auf, sondern jedes Instrument spiele eine Variante des Themas, Variante im Sinne von Klangfarbe und Klangtiefe, wie es diesem Werk nun mal eigen sei. Aber nun wolle er uns nicht mehr länger mit Ausführungen über das Werk aufhalten, sondern es sei an der Zeit, es sich anzuhören. Da und dort werde er während des musikalischen Vortrags vielleicht noch ein paar Worte erwähnen.

Kretzschmar stellte sich vor das Quartett, mit Pose und Bedächtigkeit eines Karajan breitete er seine Arme aus, blickte noch einmal zur Seite, teilte uns ein: „Man beachte den 16stimmigen Akkord im forte gleich zu Beginn“ mit, hob die Hände und gab den Einsatz. Mit Inbrunst dirigierte er das Werk, sprach und sang abwechselnd dazu und setzte sein Publikum durch seine außergewöhnlich Art DIESES Vortrages beinahe in Ekstase. Kra-wuuum platze der erst Akkord in die Totenstille des Saales, gefolgt von ständigem Schleifen, Langsamer-und Schnellerwerden von undefinierbaren Tönen. Dazwischen ein Pizzicato, wieder ein Kra-wumm, gefolgt von lauter und leiserwerdenden Tonfolgen. Di-da, anschwellendes Geschleife, das endlich in hohen Lagen einen Triller hervorbrachte. „Eine großartige Komposition“ rief Kretzschmar während er scheinbar wirr mit den Händen in der Luft herumfuchtelte und Einsätze zu geben schien, obwohl keiner im Publikum wusste, ob dies auch tatsächlich der Sinn seiner Tätigkeit war. Dennoch schien er sehr sicher in seiner Arbeit: „Man verfolge genauestens die genialen rhythmischen Konstruktionen und Einsätze des jeweiligen Instrumentes!“ Er sang mit der ersten Geige mit: „iiiiihhhhhhhuuuiiiiiii“ deutete mit der rechten Hand die Einsätze des Cellos an bzw. verfolgte dessen Stimme mit Auf-und Abbewegungen der Hand, während die linke Hand die Viola unterstütze. Wer im Publikum es nicht mehr schaffte, anhand der Partitur mitzulesen, konnte sich so wenigstens am Flattern des Dirigenten orientieren, auch wenn so mancher ein Lächeln über jenen nicht mehr unterdrücken konnte.

Während eines langgezogenen hohen „Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii“ rief Kretzschmar: „Nun folgt die Strichchoreographie. Bitte verfolgen Sie genau die Bogenführung und achten Sie auf DAS ästhetische Moment“. Die Musik war inzwischen zu einem großen geordneten Chaos angeschwollen, indem möglichst viele verschiedene Rhythmen sich gleichzeitig in unser Gehör drängten. Unmöglich etwas genau nachzuvollziehen, aber eine enorme Klangwirkung, gepaart mit den faszinierenden Bewegungen der Musiker. Hin-und hergerissen zwischen Partitur, Dirigent, dem Bild der Musizierenden und dem Versuch möglichst viel der Musik aufzunehmen, wurden die Zuhörenden mit einer unvergleichlichen innerlichen Spannung erfüllt. Wir saßen ganz vorne auf den Sesseln, jeden einzelnen Muskel angespannt -bereit, alles aufzunehmen, das dort auf der Bühne geboten wurde.

Inzwischen waren wir beim 3. Satz angelangt. Gezupfe, kleine geschliffene Passagen, einmal hier einmal dort, durch den ganzen Saal verstreut, dennoch auch hier wieder exaktes Spiel einer wohldurchdachten Komposition. Einmal laut und schonungslos, dann nur noch wischen, gefolgt von Zupfen bis hin ins Pianissimo, das unscheinbar in den 4. Satz überleitete. Breit, der Beginn des Themas, vorgestellt durch das Cello. Doch gleich wird es lebhaft und frech. Schon setzt die erste Geige ein, doch nicht in herkömmlicher Dux -Comes Beantwortung, sondern als Variation des Themas. Während Cello und erste Geige in ein Prestissimo von abwechselndem Schleifen, Portato und Pizzicato münden setzt die 2. Violine ein, gefolgt von der Viola. „Verfolgen Sie diese kunstvolle Fuge bitte anhand der Partitur!“ warf Kretzschmar nun ein, „So können Sie am besten das Schema verfolgen!“ Tatsächlich begriff man wie bei den meisten Fugen auch hier die Kunst am ehesten auf dem Papier, denn wirklich verfolgen konnte man die Stimmen nur sehr schwer. Wieder setzte eine Auf-und Abbewegung der verschiedensten Töne ein. Zupfen, Schleifen, Streichen, laut, leise, krawumm, dg-dg-dg-dg-dg, nääääääääähhhhh, iiiiihhhhhhh, uuuuiiiiiiihg -ständig ging es so weiter, aber in einer klanglichen Konzeption, die uns in Spannung hielt. Und irgendwann fortissimo – und Totenstille.

Keiner wagte, ein Wort zu sagen oder auch nur laut zu Atmen. Jeder blickte auf Kretzschmar, der schweißgebadet dastand und nur langsam wieder auf diese Welt zurückzukommen schien. „Ich danke Ihnen, meine Herren.“ sagte er leise, drehte sich um und verließ den Saal.