Dass Musik in die Untiefen oder Abgründe der Seele hinabreichen kann, ist keine Einsicht jüngeren Datums. Neue Musik hingegen – so wird zu Recht und zu Unrecht behauptet – neigt zu Kopfgeburten. Doch wer das Hören und Hervorbringen, das Vorzeigen und Vorführen von Musik als komplexen psychischen Prozess begreift, kann sich nicht immer wohlerzogen und wohltemperiert verhalten. Dann geht es nicht mehr um die Bändigung, sondern um die Entfesselung von Klang und Gefühlen. Solches Triebleben ist dem alten Kanon des Musizierens schnell entwachsen, es ist anarchisch genug, um sich den Dogmen der Notation, der Alleinherrschaft des Komponierten zu widersetzen. Der Komponist als gestrenger Vater der Musik, der Interpret als folgsamer Sohn – dieser pädagogischen Spielart verweigert Günther Zechberger den Gehorsam. Ihm schwebt eine Dreiecksbeziehung vor: partnerschaftlich und atemberaubend, zwischen einem Komponisten und einem Interpreten und einem Instrument. Ein Vertrauensverhältnis, eine offene Beziehung, frei, aber mit einigen festen Vereinbarungen. Dann bricht er – wachen Ohres und offenen Auges – zur Erkundung von Seelenlandschaften auf.
(aus: Peter Paul Kainrath, Andreas Pfeifer „METAMUSIK“, Folio Verlag, Wien – Bozen 2003)